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vroni widmann
Die Senkrechtstarterin
Veronika Widmann darf sich seit kurzem nicht nur zweifache italienische Downhill Meisterin nennen, sondern kann auch getrost als Senkrechstarterin im Weltcupzirkus bezeichnet werden. Die 23-jährige Traminerin jagt als schnellste italienische Dame im Weltcup der Downhillqueen Rachel Atherton hinterher und ist mit Top Ten Ergebnissen und dem derzeit siebten Rang im Gesamtranking des UCI Downhill Weltcups auch unter den Besten der Welt ganz schön schnell unterwegs. Dabei ist die diplomierte Krankenpflegerin erst relativ spät vom Cross Country zum Downhillsport gekommen - und bleibt nun auch dort, denn „Bergab" war laut eigenen Angaben schon immer ihre Disziplin. Wir haben mit der sympathischen Racerin über Motivation, Herausforderungen und Ängste gesprochen und auch gefragt: Wie ist das so, als Frau im männerdominierten Weltcupzirkus?

vroni widmann
Veronika Widmann ist die aktuell schnellste italienische Downhillerin.


Hallo Veronika. Du bist ja eigentlich als eine, nun ja, sagen wir mal „Spätzünderin" zum Downhill gekommen ...
Ja das stimmt, zum Downhillen bin ich erst relativ spät gekommen. Vorher war ich aber schon seit meinem zwölften Lebensjahr im Verein Bike Club Neumarkt, wo ich Cross Country Rennen bestritten habe. Das Abwärtsfahren war damals schon meine Disziplin. Zum Downhillen bin ich eigentlich erst gekommen, als ich aufgrund meines Studiums weniger Zeit zum Trainieren hatte und mich deshalb entschied, mit den Cross Country Rennen aufzuhören. Zugleich habe ich dann das Downhillfahren für mich entdeckt.

Ab diesem Zeitpunkt ging dann ja alles sehr schnell ...
Auf dem Kronplatz bin ich das erste Mal auf einem Downhillbike gesessen. Nach dieser Premiere hat mein Cousin Georg mich überredet, in Vals bei der Downhill Landesmeisterschaft mitzumachen. Ich habe dann mit einem geliehenen Bike das Rennen bestritten und gleich gewonnen. Nach diesem Erfolg habe ich beschlossen, weitere Rennen zu fahren. Zunächst waren es nur kleinere regionale Rennen, dann auch der Gravitalia Nationalcup. Bei meinem Sieg des Gravitalia Rennens in Bormio 2014 ist dann der Nationaltrainer auf mich aufmerksam geworden. Er sagte mir, ich solle internationale Rennen bestreiten und mich im Weltcup versuchen.

2015 war dann deine erste Weltcup-Saison. Was waren da die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung war die Einstellung auf die Strecken. Die sind sehr anspruchsvoll und manche Sprünge sind besonders für uns Girls kaum zu bewältigen. Aufgrund meiner Cross Country Vergangenheit war ich technisch immer schon sehr gut, aber mit den Sprüngen hatte ich dann ein bisschen Schwierigkeiten. Bei meinem ersten Weltcuprennen musste ich gleich Sprünge in einer Höhe bewältigen, die ich vorher nie gesehen hatte. Das war eine große Überwindung. Natürlich gibt es auch die sogenannten „Chicken-Lines“ aber da verliert man viel zu viel Zeit. Und wer will schon bei einem Weltcuprennen eine „Chicken-Line“ fahren?

Was hast du in deiner damals ersten Weltcupsaison gelernt?
Weil die Strecken wirklich schwer zu bewältigen sind, muss man 100% bei der Sache sein. Das musste ich lernen. Außerdem muss das Bike und die Vorbereitung stimmen. Im Weltcup geht es ganz anders zu als bei den nationalen Rennen. Ich habe anfangs immer versucht, auf Druck schnell zu fahren, habe dann Fehler gemacht oder bin gestürzt. Erfahrung gehört dazu. Später hab ich dann gemerkt, dass ich auch schnell bin, wenn ich einen sicheren Lauf runter bringe. Von da an sind dann eigentlich erst meine guten Resultate gekommen. Es ist alles Kopfsache.

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Auf dem Weg zum Sieg beim iXS European Downhill Cup in Spicak 2015. ©iXS European Cup


Wo trainierst du eigentlich? Hast du gute Trainingsmöglichkeiten in deiner Heimat?
Besonders im Winter trainiere ich sehr viel am Kohlern bei Bozen. Das ist die perfekte Trainingsmöglichkeit. Der Kohlern ist richtig old school, technisch und anspruchsvoll. So wie ich es gerne hab. Ansonsten trainiere ich leider nicht sehr viel in Südtirol. Besonders im Sommer bin ich fast jedes Wochenende auf Rennen und so bleiben wenige Gelegenheiten. Wenn ich mal zuhause bin, fahre ich auch gerne nach Val di Sole, um für die Weltmeisterschaft zu trainieren.

Und weltweit - gibt es im Downhill Weltcup eine Lieblingsstrecke?
Nach Val di Sole ist sicher Fort William eine meiner Lieblingsstrecken.

Du hast vorhin die großen Sprünge in den Weltcuprennen erwähnt. Kennst du das Gefühl von Angst beim Downhillbiken?
Ja, sicher gibt es Situationen, die mir ziemlich Respekt einflößen. Das kann beispielsweise sein, wenn es am Rennwochenende regnet und die Strecke dann richtig gefährlich wird. Hier ist es dann umso wichtiger, dass man weiß, was man tut. Man muss das Risiko noch besser einschätzen und vielleicht lieber mal auf Sicherheit gehen, als einen Sturz zu riskieren.

Hast du ein persönliches Rezept gegen aufsteigende Angst?
Im Rennen ist es wichtig, alle negativen Gefühle auszuschalten und den Kopf frei und mit positiven Gedanken zu haben, die mich mental stärken. Wenn ich Angst vor einem Sprung habe, entscheide ich schon vor dem Rennen, wie ich das angehe. Wenn ich den Sprung im Training erfolgreich probiert habe, versuche ich im Rennen positiv zu denken. Wenn der Sprung für mich unmöglich ist, entscheide ich bereits vor dem Rennen nicht zu springen und konzentriere mich auf den Rest der Strecke. Ich hab auch schon mal im Rennen experimentiert, was dann schief gegangen ist. Es ist wichtig, selbstbewusst zu sein und an sich selbst zu glauben - das ist das Beste gegen Angst.

Hast du auch bestimmte Rituale?
Ich bin oft etwas nervös. Kommt auch immer darauf an, wie die Quali gelaufen ist. Die Nervosität versuche ich auszuschalten, indem ich die Strecke im Kopf durchgehe: jede Kurve jeden Stein, jeden Sprung, jede Wurzelpassage. Das gibt mir Sicherheit und lenkt mich zugleich etwas ab. Außerdem höre ich immer Musik beim Aufwärmen vor dem Rennen.

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Hochkonzentriert beim Gravitalia Cup. ©Antonio Obregón


Ist es für Frauen schwerer, im Downhillsport zu bestehen? Welche Erfahrung hast du da bisher gemacht?
Es gibt immer mehr Frauen, die auch Rennen fahren und die auch ziemlich Gas geben können. Leider ist der Downhillsport aber immer noch sehr männerdominiert. Bei den Frauen ist im Weltcup von Platz 1 bis Platz 20 einfach ein großer Leistungsunterschied. Das liegt daran, dass es bei den Frauen nicht dieselbe Dichte wie bei den Männern gibt. Wir Frauen müssen auch immer die gleichen Strecken wie die Männer bewältigen, was oft einfach schon vom körperlichen Aspekt her eine riesige Herausforderung ist.

Was würdest du jungen Downhillfahrerinnen raten, die gerne mal ein Rennen fahren würden?

Versucht es einfach! Das Allerwichtigste ist - es muss Spaß machen! Am Anfang geht es nicht immer um das Resultat, es geht darum, dass man mit sich selbst zufrieden ist, vielleicht ein paar Sekunden herausgeholt hat, und wie gesagt - Spaß sollte man haben! Wenn es dann professioneller werden soll, gibt es viele Faktoren die passen müssen. Das Bike muss gut abgestimmt sein, man sollte ein Ziel vor Augen hab. Zum Hinarbeiten auf ein Rennen ist es außerdem auch ziemlich cool, wenn man sich vielleicht mal hinter die schnelleren Jungs dranhängt und einfach mal versucht, ihnen zu folgen. Man gewöhnt sich so an den Speed und kann sich vielleicht die eine oder andere Linie abschauen.

Bei dir geht es jetzt mit den Europacuprennen, den Weltcuprennen in Kanada und Andorra sowie der Weltmeisterschaft weiter. Welche Ziele hast du noch für diese Saison?
Ich war diese Saison einmal schon ziemlich knapp am Podium vorbei. Ich lag in Fort William in der letzten Zwischenzeit noch auf dem vierten Platz und habe im letzten Teil leider noch einen kleinen Fehler gemacht. Ich weiß, wenn alles gut läuft, dann könnte ich es aufs Podium schaffen. Das wäre mein großes Ziel!

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Text: Ines Schneider
Bilder: ©Alex Luise, ©iXS European Downhill Cup
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