"Grinsen und den Blick weit nach vorne!" Auf einen Kaffee mit Antje Kramer
Wenn man mit Antje Kramer auf einen Kaffee geht, dann kann es schon mal mehr als einer werden, denn zu erzählen hat die Frohnatur aus dem Ruhrpott jede Menge. Die siebenfache Deutsche Meisterin im Downhill, EM-Siebte und sogar mal Achte in einem Weltcup, ist im „richtigen" Leben eigentlich Krankenschwester. Und weiß nach einer langen Verletzungshistorie inklusive vier gebrochener Brustwirbel auch ganz genau, wie es sich im Krankenhaus auf der anderen Seite anfühlt. Mittlerweile ist die 48-jährige ruhiger geworden und biked nicht mehr gegen die Uhr, sondern der reinen Freude wegen. Ganz nebenbei hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Damen der Schöpfung die Begeisterung für den Sport in speziellen Women's Camps und Fahrtechniktrainings weiterzugeben. Alles Grund genug, um uns mit der sympathischen Powerfrau zum Kaffeetratsch zu verabreden.
(c) Jana Zoricic
Du bist stationsleitende Krankenschwester in einem Krankenhaus. Was sagen deine Patienten, wenn sie erfahren, dass du auch eine Downhillerin bist?
Die Patienten sind immer ganz begeistert und hören sich gerne meine Geschichten an. Ich merke dann immer wieder, wie schnell man mich ablenken kann von meinem Job und ich ruckzuck mit meinen Gedanken ganz wo anders bin... also eher schlecht,wenn man mich auf meinen Sport anspricht... [lacht] Ich habe immer ein riesen Mitgefühl, wenn wir junge Patienten haben, die sich etwas gebrochen habe, denn in meiner Karriere hatten ich wirklich etliche Verletzungen, hab also auch oft auf der anderen Seite gestanden. Man wird so aufmerksamer für die Bedürfnisse von Patienten.
Und deine Arbeitskollegen? Wie sind die mit deiner Rennkarriere umgegangen?
Mit meinen Arbeitskollegen und Vorgesetzten war das so eine Sache. Anfänglich war alles super und sie waren sehr stolz auf mich. Da ich ja mit jeder meiner Verletzungen trotzdem arbeiten gekommen bin, konnten sie auch nicht wirklich was sagen. Später haben sie mir dann schon die rote Karte gezeigt und mich doch sehr unter Druck gesetzt. Von da an bin ich dann mit angezogener Handbremse gefahren, was aber gar nicht gut ist im Downhillsport. Man muss echt locker sein und darf nicht an Verletzungen denken und natürlich hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich am Montag wieder arbeiten muss. Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte irgendwann selbst keinen Bock mehr auf diese ganzen Verletzungen und Schmerzen und hab mich dann dafür entschieden, mit dem Rennfahren aufzuhören. Jetzt sind die jungen Mädls an der Reihe! [lacht]
(c) Kilian Kreb
Apropos Mädls - brauchen Frauen wirklich ihre eigenen Fahrtechnikcamps?
Also wenn du mich das vor 6 Jahren gefragt hättest, hätte ich auch gesagt... neee was für ein Quatsch.. mit Jungs fahren ist doch viel geiler. Aber ich habe schon nach dem ersten Camp als Coach gemerkt, das ist doch was anderes. Mensch, die Ladies sind super interessiert, hören zu, versuchen alles umzusetzen, motivieren sich gegenseitig und wachsen über sich hinaus. Ich glaube, sie denken, wenn die das schafft, schaff ich das auch. Sie können sich in der Frauengruppe viel besser einschätzen und feiern sich untereinander. Das schafft ein gutes Selbstvertrauen und das können sie mitnehmen, wenn sie wieder mit Jungs fahren gehen. Hey und ich sag dir eins: Das Niveau steigt von Jahr zu Jahr! Ich hab immer die stärkste Gruppe und die haben Bock und wollen Gas geben!
(c) Sebastian Hofer
Was ist das Wichtigste, das du bei den Women's Camps vermitteln möchtest?
Oje, das Wichtigste - immer den Blick weit nach vorne, locker bleiben, ein Grinsen im Gesicht. Außerdem will ich ihnen zeigen, dass Geschwindigkeit stabil macht und dass jeder Trail zu rocken ist, wenn sie aktiv und flott auf dem Bike unterwegs sind. Aber wie schon gesagt, ich bin ja meistens für die besten Gruppen verantwortlich. Die sind schon über die Basics hinweg und es geht nur noch um den Feinschliff.
Bist du schon mal Vorurteilen gegenüber Frauen auf dem Mountainbike begegnet?
Nööö, ich kenn nur Leute, die sich genauso freuen über die Bikeladies wie ich. Wir erarbeiten uns den Respekt der Männer [lacht]. Und die können sich echt warm anziehen, wir werden immer mehr und geben echt Gas!
Was unterscheidet deiner Meinung nach die Geschlechter beim Mountainbiken? Und können Frauen auf dem Mountainbike auch was besser als die Männer?
Fakt ist, dass die Männer einfach mehr Testosteron haben als die Mädels und oft stärker sind, im mentalen als auch im körperlichen Bereich. Man sieht das im Weltcup - die beste Frau kommt nicht an die Zeit des besten Mannes heran. Die meisten Männer sind außerdem spielerischer auf dem Bike unterwegs und probieren einfach was aus, Mädels hingegen überlegen mehr. Was sie besser können?! Sie sehen definitiv besser aus [lacht]
Hattest du in deiner Karriere schon oft mit Angst beim Biken zu kämpfen? Wie hast du sie in den Griff bekommen?
Oh ja, nach schweren Stürzen, ich kann mich an einen erinnern - Tabarz Zielsprung, circa 12 Meter, so ein Motocross-Sprung. Im Training ist alles gut gegangen, im Finale bin ich ein klein wenig zu kurz gesprungen. Ergebnis: Black Out von gut sieben Minuten, bin kurz im Rettungszelt wach geworden, dann erst wieder im Krankenhaus. Bis auf eine Lungen- und Wirbelprellung und einer Gehirnerschütterung hatte ich Gott sei Dank nichts. Aber im nächsten Jahr war ich dann fast nicht in der Lage den gleichen Sprung noch einmal zu springen. Mein Körper hat sich so unglaublich angestellt, da musste ich echt so hart mental an mir arbeiten und mich mega überwinden. Als ich dann doch gesprungen bin, hatte ich einen kurzen Gedankenaussetzer, bin aber gut gelandet mit zittrigen Beinen und voll Adrenalin. Ich glaube, ich hab einfach Glück, dass ich mental so stark bin. Ich habe mich in meiner Karriere echt immer irgendwie überwinden können, mein damaliger Trainingspartner hat mich für diesen Mut immer sehr bewundert. Ich wollte es einfach immer wieder schaffen, wollte weiter kommen und hab gedacht, wenn was passiert ist es egal, der Körper heilt das schon. Nun ja, nach all den Jahren sehe ich das jetzt etwas anders [lacht]. Ich will keine Verletzungen mehr, will einfach keine Schmerzen mehr. Und so fahre ich zur Zeit nur in meiner Komfortzone.
Und was sind deine Tipps gegen Angstsituationen beim Biken?
Erstens: tief durchatmen! Guck dir außerdem Leute an, die bestimmte Abschnitte super gut fahren und visualisiere dann Sprünge oder Abschnitte. Stell dir immer vorstellen, wie du dann aussiehst (z:B in der Luft bei einem Sprung, oder durch eine unglaublich steinige Passage). Blick weit nach vorne, grinsen und locker bleiben, tief durchatmen und durchziehen! Wenn man es geschafft hat, dann das stolze Gefühl abspeichern, denn das braucht man vielleicht beim nächsten mal, wenn man Respekt oder Angst hat. Da dann das gute stolze Gefühl wieder hervorholen... und an sich glauben!
(c) Kilian Kreb
Was hat sich seit deinen Anfängen im Frauen-Mountainbiken verändert?
Yeahh, es gibt mittlerweile richtig schöne und auch gute Klamotten für Frauen! Außerdem gibt es viel mehr Frauen, die mountainbiken. Die Sportart war männerdominiert, aber ich glaube, das ändert sich gerade. Es gibt viel mehr mutige Frauen, die Bock darauf haben, schnell den Berg runter zu kommen und die springen und Spitzkehren fahren wollen. Mittlerweile wollen sie auch gut funktionierende Bikes haben, nicht nur das abgetragene Material von Ihren Freunden. Sie beschäftigen sich viel mehr mit der Geometrie und den Komponenten, mit dem Set-up des Bikes, sie probieren und testen. Das finde ich echt cool. Glaubt mir, da finden manchmal echte Männergespräche statt. [grinst]
Was wünscht du dir für die Zukunft des Frauenmountainbikens?
Dass es so weitergeht. Naja, und für mich... ich wünsche mir ein LIV-EBike [lacht].
Zum Schluss: Espresso oder Cappucino?
Ich liebe Espresso. Er ist aber immer viel zu schnell weg. Latte Macchiato ist ein purer Genuss. Eine große Tasse, der Espresso muss langsam und vorsichtig unter den Milchschaum gerührt werden und dann folgt ein langer, entspannter Kaffeegenuss.. ach ich liebe Kaffee trinken!
Interview: Ines Schneider
Fotos: (c) Jana Zoricic, (c) Kilian Kreb, (c) Sebastian Hofer
Bikecamps mit Antje Kramer
Zweimal im Jahr ist Antje bei den Ladykrachern mit von der Partie, einem tollen Package im Dolce Vita Hotel Jagdhof in Latsch. Hier geht es zum Angebot.
(c) Jana Zoricic
Du bist stationsleitende Krankenschwester in einem Krankenhaus. Was sagen deine Patienten, wenn sie erfahren, dass du auch eine Downhillerin bist?
Die Patienten sind immer ganz begeistert und hören sich gerne meine Geschichten an. Ich merke dann immer wieder, wie schnell man mich ablenken kann von meinem Job und ich ruckzuck mit meinen Gedanken ganz wo anders bin... also eher schlecht,wenn man mich auf meinen Sport anspricht... [lacht] Ich habe immer ein riesen Mitgefühl, wenn wir junge Patienten haben, die sich etwas gebrochen habe, denn in meiner Karriere hatten ich wirklich etliche Verletzungen, hab also auch oft auf der anderen Seite gestanden. Man wird so aufmerksamer für die Bedürfnisse von Patienten.
Und deine Arbeitskollegen? Wie sind die mit deiner Rennkarriere umgegangen?
Mit meinen Arbeitskollegen und Vorgesetzten war das so eine Sache. Anfänglich war alles super und sie waren sehr stolz auf mich. Da ich ja mit jeder meiner Verletzungen trotzdem arbeiten gekommen bin, konnten sie auch nicht wirklich was sagen. Später haben sie mir dann schon die rote Karte gezeigt und mich doch sehr unter Druck gesetzt. Von da an bin ich dann mit angezogener Handbremse gefahren, was aber gar nicht gut ist im Downhillsport. Man muss echt locker sein und darf nicht an Verletzungen denken und natürlich hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich am Montag wieder arbeiten muss. Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte irgendwann selbst keinen Bock mehr auf diese ganzen Verletzungen und Schmerzen und hab mich dann dafür entschieden, mit dem Rennfahren aufzuhören. Jetzt sind die jungen Mädls an der Reihe! [lacht]
(c) Kilian Kreb
Apropos Mädls - brauchen Frauen wirklich ihre eigenen Fahrtechnikcamps?
Also wenn du mich das vor 6 Jahren gefragt hättest, hätte ich auch gesagt... neee was für ein Quatsch.. mit Jungs fahren ist doch viel geiler. Aber ich habe schon nach dem ersten Camp als Coach gemerkt, das ist doch was anderes. Mensch, die Ladies sind super interessiert, hören zu, versuchen alles umzusetzen, motivieren sich gegenseitig und wachsen über sich hinaus. Ich glaube, sie denken, wenn die das schafft, schaff ich das auch. Sie können sich in der Frauengruppe viel besser einschätzen und feiern sich untereinander. Das schafft ein gutes Selbstvertrauen und das können sie mitnehmen, wenn sie wieder mit Jungs fahren gehen. Hey und ich sag dir eins: Das Niveau steigt von Jahr zu Jahr! Ich hab immer die stärkste Gruppe und die haben Bock und wollen Gas geben!
(c) Sebastian Hofer
Was ist das Wichtigste, das du bei den Women's Camps vermitteln möchtest?
Oje, das Wichtigste - immer den Blick weit nach vorne, locker bleiben, ein Grinsen im Gesicht. Außerdem will ich ihnen zeigen, dass Geschwindigkeit stabil macht und dass jeder Trail zu rocken ist, wenn sie aktiv und flott auf dem Bike unterwegs sind. Aber wie schon gesagt, ich bin ja meistens für die besten Gruppen verantwortlich. Die sind schon über die Basics hinweg und es geht nur noch um den Feinschliff.
Bist du schon mal Vorurteilen gegenüber Frauen auf dem Mountainbike begegnet?
Nööö, ich kenn nur Leute, die sich genauso freuen über die Bikeladies wie ich. Wir erarbeiten uns den Respekt der Männer [lacht]. Und die können sich echt warm anziehen, wir werden immer mehr und geben echt Gas!
Was unterscheidet deiner Meinung nach die Geschlechter beim Mountainbiken? Und können Frauen auf dem Mountainbike auch was besser als die Männer?
Fakt ist, dass die Männer einfach mehr Testosteron haben als die Mädels und oft stärker sind, im mentalen als auch im körperlichen Bereich. Man sieht das im Weltcup - die beste Frau kommt nicht an die Zeit des besten Mannes heran. Die meisten Männer sind außerdem spielerischer auf dem Bike unterwegs und probieren einfach was aus, Mädels hingegen überlegen mehr. Was sie besser können?! Sie sehen definitiv besser aus [lacht]
Hattest du in deiner Karriere schon oft mit Angst beim Biken zu kämpfen? Wie hast du sie in den Griff bekommen?
Oh ja, nach schweren Stürzen, ich kann mich an einen erinnern - Tabarz Zielsprung, circa 12 Meter, so ein Motocross-Sprung. Im Training ist alles gut gegangen, im Finale bin ich ein klein wenig zu kurz gesprungen. Ergebnis: Black Out von gut sieben Minuten, bin kurz im Rettungszelt wach geworden, dann erst wieder im Krankenhaus. Bis auf eine Lungen- und Wirbelprellung und einer Gehirnerschütterung hatte ich Gott sei Dank nichts. Aber im nächsten Jahr war ich dann fast nicht in der Lage den gleichen Sprung noch einmal zu springen. Mein Körper hat sich so unglaublich angestellt, da musste ich echt so hart mental an mir arbeiten und mich mega überwinden. Als ich dann doch gesprungen bin, hatte ich einen kurzen Gedankenaussetzer, bin aber gut gelandet mit zittrigen Beinen und voll Adrenalin. Ich glaube, ich hab einfach Glück, dass ich mental so stark bin. Ich habe mich in meiner Karriere echt immer irgendwie überwinden können, mein damaliger Trainingspartner hat mich für diesen Mut immer sehr bewundert. Ich wollte es einfach immer wieder schaffen, wollte weiter kommen und hab gedacht, wenn was passiert ist es egal, der Körper heilt das schon. Nun ja, nach all den Jahren sehe ich das jetzt etwas anders [lacht]. Ich will keine Verletzungen mehr, will einfach keine Schmerzen mehr. Und so fahre ich zur Zeit nur in meiner Komfortzone.
Und was sind deine Tipps gegen Angstsituationen beim Biken?
Erstens: tief durchatmen! Guck dir außerdem Leute an, die bestimmte Abschnitte super gut fahren und visualisiere dann Sprünge oder Abschnitte. Stell dir immer vorstellen, wie du dann aussiehst (z:B in der Luft bei einem Sprung, oder durch eine unglaublich steinige Passage). Blick weit nach vorne, grinsen und locker bleiben, tief durchatmen und durchziehen! Wenn man es geschafft hat, dann das stolze Gefühl abspeichern, denn das braucht man vielleicht beim nächsten mal, wenn man Respekt oder Angst hat. Da dann das gute stolze Gefühl wieder hervorholen... und an sich glauben!
(c) Kilian Kreb
Was hat sich seit deinen Anfängen im Frauen-Mountainbiken verändert?
Yeahh, es gibt mittlerweile richtig schöne und auch gute Klamotten für Frauen! Außerdem gibt es viel mehr Frauen, die mountainbiken. Die Sportart war männerdominiert, aber ich glaube, das ändert sich gerade. Es gibt viel mehr mutige Frauen, die Bock darauf haben, schnell den Berg runter zu kommen und die springen und Spitzkehren fahren wollen. Mittlerweile wollen sie auch gut funktionierende Bikes haben, nicht nur das abgetragene Material von Ihren Freunden. Sie beschäftigen sich viel mehr mit der Geometrie und den Komponenten, mit dem Set-up des Bikes, sie probieren und testen. Das finde ich echt cool. Glaubt mir, da finden manchmal echte Männergespräche statt. [grinst]
Was wünscht du dir für die Zukunft des Frauenmountainbikens?
Dass es so weitergeht. Naja, und für mich... ich wünsche mir ein LIV-EBike [lacht].
Zum Schluss: Espresso oder Cappucino?
Ich liebe Espresso. Er ist aber immer viel zu schnell weg. Latte Macchiato ist ein purer Genuss. Eine große Tasse, der Espresso muss langsam und vorsichtig unter den Milchschaum gerührt werden und dann folgt ein langer, entspannter Kaffeegenuss.. ach ich liebe Kaffee trinken!
Interview: Ines Schneider
Fotos: (c) Jana Zoricic, (c) Kilian Kreb, (c) Sebastian Hofer
Bikecamps mit Antje Kramer
Zweimal im Jahr ist Antje bei den Ladykrachern mit von der Partie, einem tollen Package im Dolce Vita Hotel Jagdhof in Latsch. Hier geht es zum Angebot.